Die Schwäbische berichtet: Politischer Aschermittwoch der Grünen: Tiefgrüner Ernst mit Lachern (schwaebische.de)
Von:Kara Ballarin
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine beschäftigt die Grünen mehr als Attacken auf andere Parteien. Es ging eher politisch–philosophisch statt derb–zünftig zu.
Grünen aufleben lassen: Nach einer Pause lud die Öko–Partei wie vor der Corona–Pandemie im Jahr 2020 nach Biberach zum politischen Aschermittwoch.
Und: Wieder ging es eher politisch–philosophisch statt derb–zünftig zu. Für manchen Lacher sorgte Ministerpräsident Winfried Kretschmann dennoch — etwa mit einer Unterweisung in Sachen Fortpflanzung. Ob Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ihn nach der nächsten Landtagswahl 2026 beerben möchte, ließ dieser aber offen.
Manche Klischees gibt es zurecht. Etwa, dass der Grünen als etwas spaßbefreit. Keine Musik, auf den Tischen in der Stadthalle steht Wasser und Bio–Saftschorle, Bier ist kaum zu sehen. Attacken auf den politischen Gegner, die als Kern solcher Veranstaltungen nach der närrischen Zeit gelten, bekamen die rund 750 Besucher nur in homöopathischen Dosen.
Vergiftetes Lob für die FDP
Etwa dann, wenn Özdemir der FDP dafür Respekt zollt, dass sie es im Bund schafft, zugleich in der Regierung und scheinbar auch in der Opposition zu sein — zumindest gebärde sie sich entsprechend. Die FDP habe in der Ampel mit den Grünen und der SPD aber eine wichtige Funktion: „Sie ist der Übergang vom roten Stopp zum grünen Vorwärts.“
An der Union arbeitet er sich mit Ironie ab. „Vielen Dank, dass wir jetzt von der Seitenlinie, oder eher vom Abseits, gute Tipps bekommen.“ In 16 Jahren an der Macht habe die CDU im Bund sehr viel Transformation verschlafen. „Es ist faszinierend zu sehen, welche Versäumnisse wir aus der Opposition heraus verantwortet haben und es der Regierung erschwert haben, das Richtige zu tun“, so Özdemir mit einem Augenzwinkern.
Beerbt Özdemir Kretschmann?
Ein wenig spielt Özdemir auch mit der Frage, ob er bei der kommenden Landtagswahl 2026 im Südwesten Spitzenkandidat der Grünen werden wolle. Geäußert hat er sich dazu noch nicht, er gilt aber weithin als aussichtsreichster Kandidat auf eine mögliche Kretschmann–Nachfolge. Für eine Entscheidung sei es aber noch zu früh, deutete Özdemir indirekt an, als er sagte: „Wie sieht Transformation in Baden–Württemberg aus? Die managt der Jungspund Winfried Kretschmann.“
Schließlich sei der 74–Jähriger eine halbe Dekade jünger als US–Präsident Joe Biden (80). Er selbst habe einen Block für Notizen dabei, um Weisheiten aus der nach ihm folgende Rede Kretschmanns festzuhalten. „Wenigstens ein Hannah–Ahrend–Zitat springt raus“, so Özdemir.
An der Seite der Ukraine
Politisch zu philosophieren sei seine Leidenschaft, bestätigt Kretschmann. Er beginnt die Rede mit dem Blick auf die Ukraine, die vor einem Jahr von Russland überfallen wurde. „Ich wurde hier von Personen empfangen, die mich als Kriegstreiber bezeichnet haben“, berichtet er. Natürlich sei es richtig, Frieden ohne Waffen zu schaffen. Aber: „Man kann doch nicht Frieden schaffen, wenn einer mit seinem Waffenarsenal einen anderen überfällt, und dann soll man sich nicht wehren?“
Deutschland stehe fest an der Seite der Ukraine, betont Kretschmann. Er kritisierte das „Manifest für den Frieden“. Darin fordern die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und die Linken–Politikerin Sahra Wagenknecht Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen. „Es ist schon etwas ziemlich Unfassbares, wieder in so eine alte Sichtweise zurückzufallen“, so Kretschmann.
Dabei verwies er auf den Hitler–Stalin–Pakt, indem Deutschland und die Sowjetunion Polen unter sich aufteilten. Die Deutschen müssten doch gelernt haben, nicht auf Kosten eines Landes mit anderen Staaten zu verhandeln.
Dass Polit–Philosophie auch lustig sein kann, zeigt Kretschmann am Beispiel der Energiewende. Er spannt den Bogen von seiner Lieblingsphilosophin Hannah Arendt zum Heiligen Augustinus mit dem Fazit: Der Mensch sei für kühne Aufgaben gemacht, jeder sei ein Unikat und könne die Welt neu denken.
Denn bei der Kombination menschlicher Chromosome gebe es mehr Möglichkeiten als Atome im ganzen Weltall. „Da geht’s um sexuelle Fortpflanzung, wenn ich Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen kann. Das macht nicht nur Spaß, sondern ist auch sinnvoll“, erläutert Kretschmann. Gemeinsam könnten Menschen Wunder bewirken, was nun nötig sei. „Wir müssen in 25 Jahren radikal von den Energien wegkommen, die uns reich gemacht haben.“
Gegen das grüne Klischee
Dass Klischees nicht immer stimmen, beweist die Landesvorsitzende Lena Schwelling. Mit einer Schiene am Bein humpelt die Ulmerin auf die Bühne. „Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort“, sagt sie. Das komme eben davon, wenn man auf einer Kunstschnee–Piste im sonst grünen Allgäu meint, Skifahren zu müssen, so Schwelling.
Warum sie die schlechte Anbindung der kleinen Gemeinde Guggenhausen im Kreis Ravensburg an Bus und Bahn am meisten ärgert: Dort gebe es ein Gasthaus mit sieben Variationen von Wurstsalat.