Wahlprüfsteine: 23 Fragen an Anja Reinalter

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Neben aktueller Fachliteratur zum Thema Pädagogik und Didaktik den T.C. Boyle-Klassiker „Grün ist die Hoffnung“, den ich von einer lieben Freundin geschenkt bekommen habe.

Wer ist Ihr politisches Vorbild?

Helene Weber. Sie war eine der vier Mütter des Grundgesetzes, denen wir die Gleichstellung von Mann und Frau und das Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderung zu verdanken haben.

Welches Konzert haben Sie zuletzt besucht?

Im Mai war ich beim Konzert von Udo Lindenberg in der Münchner Olympiahalle. Es war ein gigantisches Spektakel.

Welche Medien nutzen Sie, um sich über das Geschehen vor der Haustür und in der Welt zu informieren?

Unterwegs lese ich verschiedene Tageszeitungen online. Daheim lese ich täglich die SZ, wenn ich Zeit habe den Spiegel und wenn ich ganz viel Zeit habe gerne auch die ZEIT.

Wenn Sie unverhofft einen Tag frei haben, dann …

mache ich eine Vollbremsung und entschleunige. Ich schlafe aus und verbringe der Tag am liebsten mit meiner Familie. Politische Themen begleiten mich allerdings täglich.

Sie kaufen privat ein neues Auto: Benziner, Diesel, Elektro – warum?

Es gibt derzeit keine Technik die vorbehaltlos überzeugt. Ich bin sicher, dass wir in 15-20 Jahren nicht mehr über Verbrennungsmotoren diskutieren. Daher eher ein E-Mobil.

Wem würden Sie gerne mal richtig die Meinung sagen?

Bundesverkehrsminister Dobrindt und Auto-Lobbyist Wissmann. Bei Erdogan und Trump befürchte ich leider, dass es wohl wenig bringen würde …

Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Juristin. Ich wollte immer für Gerechtigkeit kämpfen. So ist es heute noch, kaum etwas ärgert mich mehr als menschliche Ungerechtigkeit.

Verraten Sie uns Ihren Lieblingsplatz und warum sind Sie gerne dort?

Irgendwo in der Natur, das tut meiner Seele gut. Ich bin gern am Wasser und in Wäldern. Sehr gerne bin ich im Laupheimer Schlosspark und am Bodensee.

Wenn Sie einen Tag lang jemand anders sein könnten, wären Sie … und warum?

Das rothaarige, rüsselnasige Sams mit den blauen Wunschpunkten. Damit ließe ich Journalisten in der Türkei und andere zu Unrecht Inhaftierte frei.

Wo sehen Sie den Wahlkreis Biberach besonders gut aufgestellt?

Unsere Stärke ist, dass wir breit aufgestellt sind. Das Spannungsfeld zwischen Bio-Tech und Bildstock ist eine echte Bereicherung für den Wahlkreis. Wir haben viele kleine bzw. mittelständische Unternehmen, die international wettbewerbsfähig sind und sichere Arbeitsplätze bieten. Unser ehrenamtliches Engagement ist besonders stark und zeigt die Verbundenheit mit der Gemeinschaft. Ich schätze die Weltoffenheit der Menschen hier, die im katholisch geprägten ländlichen Raum Traditionen pflegen und dabei offen sind für Neues. Die Work-Life-Balance, also der private Ausgleich zum fordernden Arbeitsleben, stimmt und steht für hohe Lebensqualität.

Wo hat der Wahlkreis Biberach den größten Nachholbedarf?

Der Breitbandausbau muss dringend vorangetrieben und der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Als Ergänzung dazu sind Ortsumfahrungen mit Bedacht und Sorgfalt zu planen. Lärm und Gestank müssen reduziert werden, ohne den Einzelhandel in den Ortskernen zu ruinieren und in großem Stil Flächen zu versiegeln. Das Radwegenetz sollte noch weiter erweitert werden. Was die Gesundheitsversorgung betrifft, muss trotz eines leistungsfähigen Zentral-Klinikums eine gute dezentrale Versorgung gewährleistet sein. Unser wohlhabender Landkreis hat auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Leben mit Kindern oder im Alter gut gelingen kann.

Sie erhalten unverhofft eine Million Euro für Ihren Wahlkreis: Wofür setzen Sie das Geld ein?

Zum Ausbau attraktiver Mobilitätsangebote. Etwa für die kostenlose Beförderung von Schülern und Rentnern und freie Tickets für alle, die in sozialen Berufen tätig sind. Damit würde ich gleichzeitig meine Wertschätzung für diese Berufsgruppe zum Ausdruck bringen, unter Umständen dem Fachkräftemangel entgegen wirken und viele zum Umsteigen vom Auto auf Bus und Zug animieren.

Der Kreis hat in den vergangenen zwei Jahren viele Flüchtlinge aufgenommen. Ist die Integration auf einem guten Weg?

Die Integration ist meiner Meinung nach auf einem gutem Weg. Allerdings liegen – wie mir auch viele hauptamtliche und ehrenamtliche Helfer immer wieder berichten – noch viele schwierige und herausfordernde Aufgaben vor uns. Aufgaben, die uns die nächsten Jahre begleiten und beschäftigen werden. Wohnen, Arbeit, die Vermittlung unserer Grundwerte. Keine Frage – es bleibt viel zu tun. Ich sehe, dass bei uns im Kreis bereits Vieles hervorragend klappt. Dass aber auch nicht alles so einfach ist, wie vielleicht gedacht. Integration ist eine große Aufgabe und gleichzeitig eine echte Chance für gelingendes Zusammenleben verschiedener Kulturen.

Wo sehen Sie Deutschlands Rolle in Europa und der Welt in den nächsten Jahren?

Ich bekenne mich klar zu einem starken, vereinten Europa. An Europa führt kein Weg vorbei!  Europa ist die Garantie für Wohlstand und Frieden. Deutschland ist dabei allerdings gut beraten, sich nicht als besserwisserischer Lehrmeister aufzuspielen. Europa gelingt nur, wenn es alle gemeinsam schaffen, echte Lösungen für die Probleme der Menschen zu entwickeln. Wir müssen im Gespräch bleiben mit Ländern, die keine – in Jahrzehnten gewachsenen -demokratischen Strukturen haben. Dringend notwendig ist es, Überregulierungen und Bürokratismus abzubauen, damit wir die Europäische Union besser zu schätzen lernen.

Innere Sicherheit ist derzeit ein brisantes Thema: Wie stark darf der Staat den Einzelnen überwachen?

Sicherheit ist ein absolutes Grundbedürfnis für jeden Menschen, an dem nicht gespart werden darf. Wie die Polizei in den letzten 25 Jahren kaputt gespart wurde ist ein Skandal. Für die innere Sicherheit muss die Polizeipräsenz auf dem Land  gestärkt werden. Nachhaltig! Videoüberwachungen können an hochfrequentierten öffentlichen Bereichen, wie Bahnhöfen sicher hilfreich sein und der Aufklärung dienen. Ich persönlich fühle mich immer sicherer, wenn Polizei präsent ist. Auch die Wertschätzung gegenüber dem Beruf muss wieder steigen. Dazu sind die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Nur wer richtig ausgestattet ist, kann „Freund und Helfer“ sein.

Straßenbau, Schiene, ÖPNV oder Auto: Wie soll es im Wahlkreis mit der Mobilität in den nächsten Jahren weitergehen?

Der Individualverkehr hat bei uns einen hohen Stellenwert, weil der ÖPNV nicht jeden Bedarf abdecken kann. Wir wissen, dass es eigentlich nicht richtig ist morgens alleine im Auto nach Biberach „reinzustauen“. Die Gewohnheit, im Auto von A nach B zu fahren, ist aber überzeugend bequem. Schön wäre es, wenn dieses Verhalten öfter hinterfragt würde, denn wenn wir den ÖPNV nicht nutzen, kann es kein breites Angebot geben. In der Zukunft sehe ich neben einer stetigen Verbesserung des ÖPNV innovative Konzepte wie: Sammeltaxis, intelligentes Fahren, Fahrradwegenetz etc. Letztlich entscheidet die Einsicht und Nutzung des Einzelnen über die Mobilität.

Im Raum Biberach wird kontrovers über das neue interkommunale Industriegebiet diskutiert. Wie stehen Sie zu wirtschaftlicher Expansion und Wachstum?

Hier gilt in jedem Fall das Prinzip der Ausgewogenheit! Die aktuelle Diskussion in Biberach finde ich wichtig, denn es ist absolut notwendig alle Aspekte zu beleuchten. Aufgabe ist es, die vorgetragen Argumente abzuwägen und eine verträgliche Lösung zu erarbeiten. Denn es kann nur gehen, wenn Unternehmen UND Umwelt ein ausgewogenes Ergebnis finden. Mein Motto heißt: Ökonomie UND Ökologie fördern. Bei diesem Spagat braucht es clevere und unkonventionelle Ansätze, denn man kann auch mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. Ganz konkret könnte z.B. man viele der riesigen Parkflächen durch Parkhäuser extrem verkleinern und damit besser nutzen.

In der Region suchen Menschen sowohl günstigen Wohnraum als auch Bauplätze. Beides ist Mangelware. Welche Wohnungsbaupolitik verfolgen Sie?

Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass jeder Mensch seine Vorstellung von Wohnen verwirklichen möchte. Es ist Zeichen unseres Wohlstandes, dass die Nachfrage nach Bauplätzen groß ist und Tatsache, dass günstiger Wohnraum zu knapp ist. Hier wird die Schere zwischen arm und reich, die es auch bei uns gibt, deutlich. Wohnungsbaupolitik soll allen Menschen gerecht werden. Dazu müssen innerörtliche Wohnformen wie z.B. das Bundesprogramm „Gemeinschaftlich wohnen, selbstbestimmt leben“ das in Burgrieden als „Allengerechtes Wohnen“ vorbildlich funktioniert – weiter gefördert werden. Die weitere Ausweisung von Bauland muss maßvoll betrieben werden.

Die Endlagersuche für radioaktive Abfälle läuft. Sollte die Raumschaft um Riedlingen in die engere Auswahl kommen, wie positionieren Sie sich?

Sicher nicht nach dem „Sankt-Florians-Prinzip“ mit dem Motto – überall –  nur nicht bei uns. Selbstverständlich sehe die Ängste und Sorgen der Anwohner potentieller Lagerstätten und nehme sie ernst! Gleichzeitig ist es für mich inakzeptabel, unseren Atommüll ins Ausland zu schaffen. Die Verantwortung für unseren Atommüll müssen wir tragen. Wichtig ist deswegen: Die Kriterien, dass sicherste Endlager zu müssen wissenschaftlich fundiert, transparent und fair sein. Keine Lobby-Politik! Ich kann mich daher nur unserem Ministerpräsident Winfried Kretschmann anschließen: „Entscheidend ist die Geologie und nicht die politische Geografie.“

Ärztemangel auf dem Land, Diskussionen um Krankenhausschließungen: Die Gesundheitsversorgung treibt viele Menschen um. Wo sehen Sie Möglichkeiten, um auch in einem eher ländlich strukturierten Wahlkreis wie Biberach stabile Versorgungsstrukturen zu sichern?

Die Weichen sind bereits gestellt. Die teure Medizintechnik der heutigen Zeit macht zentrale Strukturen notwendig. Ich stehe dafür, dass der karitative, soziale Aspekt, nicht außer Acht gelassen wird: Unkomplizierte, kreisweite Anbindung durch den ÖPNV ist z.B. Voraussetzung dafür, dass Angehörige oder Freunde Krankenbesuche machen können. Bezahlbare Ruftaxis dürfen keine Utopie sein, denn Sozialkontakte als Therapiefaktor müssen auch in unserer modernen Medizin einen festen Platz haben. Außerdem müssen wir niedergelassenen Ärzten attraktive Bedingungen bieten, um eine sichere dezentrale medizinische Versorgung vor Ort zu gewährleisten.

Millionen-Boni für die Konzernbosse, ein wachsendes Heer von Menschen in Altersarmut: Wie wollen Sie für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen?

Millionen-Boni für Konzernbosse sind maßlos, unsozial und schlicht nicht nachvollziehbar. Hier darf die Politik nicht wegschauen oder gar schulterzuckend Unterstützung leisten! Gesetzliche Regelungen sind hier zwingend notwendig. Appelle an die Moral funktionieren offensichtlich kaum. Die Schere zwischen arm und reich geht nachweisbar auseinander. Das ist ein Skandal für unser Land. Kinder oder Alter dürfen kein Armutsrisiko sein! Wir müssen Familien entlasten, Kinderarmut bekämpfen, Alleinerziehende und Senioren besser unterstützen und dafür sorgen, dass alle an der Gesellschaft teilhaben können. Auch soziale Teilhabe beschert Lebensglück.

Angenommen, Ihre Partei hat die Chance, in der Regierung mitzuwirken: Mit welcher Partei würden Sie koalieren, mit welcher nicht?

Zum Glück entscheiden in der Demokratie die Wählerinnen und Wähler wie die Regierung gebildet wird. Ich persönlich würde selbstverständlich mit allen demokratischen Parteien zusammenarbeiten. Inhaltlich markiert unser Grundgesetz die rote Linie: Rechts und links von unseren rechtsstaatlichen Normen gibt es für mich keine Koalitionsgedanken. Die kritische und sachliche Auseinandersetzung ist dennoch unentbehrlich und ich bin bereit, diese Diskussion zu führen.